Wilhelm Bode: Tannen
Man soll ja ein Buch wie auch einen Menschen nicht nach seinem Erscheinungsbild beurteilen. Aber wenn es so schön gemacht ist wie das vorliegende, dann kann, ja soll man das auch erwähnen. Gerne auch vorweg, wie jetzt.
Aber trotzdem. Um das Outfit des kleinen, in der außergewöhnlichen Reihe „Naturkunden“ erschienenen Büchleins mal außer Acht zu lassen. Auch was sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt kann sich sehen lassen.
Der Forstmann Wilhelm Bode, also ein Mann nicht nur vom Fach, sondern auch von der Basis, widmet sich einer der am meisten verkannten und verwechselten Baumarten: der Tanne. Nichts gegen Fichten, aber eine Tanne ist halt eine Tanne. Und nicht umsonst singt man „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum …“ und heißt das beliebte Szenebier eben nicht Fichtenzäpfle.
Einmal rund um die Welt in Sachen Tannen
Um einmal hinten anzufangen. Boden hat die verschiedenen Tannenarten aufgelistet und in Wort und Bild beschrieben, einschließlich Fichten wie der Gemeinen Fichte, der Blaufichte/Blautanne und der Douglasie. Ansonsten reicht das Spektrum von der als Weihnachtsbaum beliebten Nordmann-Tanne über die Pazifische Edeltanne, der Küstentanne, bis hin zur Spanischen und Griechischen Tanne; beginnend aber mit unserer Weißtanne.
Beginnen tut das Buch aber mit einer allgemeinen und humorvollen Einleitung unter der Überschrift „Geliebte Unbekannte“ zum Thema, einschließlich einem Gedicht von Joachim Ringelnatz oder eben „Oh Tannenbaum“. Aber es ist wahr – wer kann schon eine Tanne von einer Fichte unterscheiden? Der Leser dieses Buches nach der Lektüre wahrscheinlich schon …
Weihnachtsbrauch …
Wichtig ist die Tanne hierzulande vor allem an Weihnachten. Der ursprünglich – aber letztendlich gar nicht so sonderlich alte Brauch – begann im deutschen Südwesten, eroberte aber bald das gesamte Reich. Eine besondere Bedeutung hatte der Tannenbaum an Weihnachten aber auch im Ersten Weltkrieg, während ihn die christlichen Bräuchen abholden späteren Machthaber in Julbaum umtauften. Heute ersetzen großteils vor allem die aus dem Kaukasus importierten Nordmanntannen die heimische Tanne.
… Geschichte …
Es folgen Kapitel zur Geschichte, zur Geschichte und Entwicklung der Bäume und einer ausführlichen Beschreibung des Baumes. Zum Beispiel erfährt man dass die ursprünglichen und naturnäheren Mischwälder bereits ab Ende des 17. Jahrhunderts vor allem durch die schnell wachsenden Fichten ersetzt wurden – schon seinerzeit gab es also keine nachhaltige Holzwirtschaft im Land. Und das sollte noch lange so bleiben.
… und die Rolle der Tanne in Literatur und Kunst
Auf literarische Bezüge geht der Text des Hauptkapitels „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ ein, wobei es aber nicht nur um diese beiden verrufenen Gestalten geht sondern auch z.B. um Wilhelm Hauff und sein „Kaltes Herz“, zudem beschreibt der Autor viel über die Einordnung der Tanne in unseren Wäldern. Literatur hin, Kunst her – auch zum Thema Tanne in der Kunst weiß der Autor einiges zu berichten. Als Stichwort seiner Beschreibung sei nur Caspar David Friedrich genannt, der große romantische Künstler. Aber auch andere Maler finden Erwähnung
In „Der Baum der Herzen“ wird auf das Verhältnis des Menschen zur Tanne eingegangen, anschließend auf neuere Aspekte und Entwicklungen unseres Waldes und der Tannen.
Insgesamt liegt ein überaus lesenswertes Buch vor über ein Thema, mit dem sich außer Forstleuten wohl kaum jemand Gedanken macht – und wenn man am Ende des Buches angelangt ist, frägt man sich zu Recht – warum denn nicht? Es wurde mal Zeit.
Wilhelm Bode: „Tannen“. Ein Portrait. Reihe: Naturkunden Bd. 67. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2020. 155 S., Abb., geb., 20,– €.
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