Samstag, 22. Februar 2020

Werner Bätzing: Das Landleben

Werner Bätzing: Das Landleben
Geschichte und Zukunft einer
gefährdeten Lebensform



Bekannt ist der emeritierte Professor Werner Bätzing vor allem als Alpenspezialist. Dass das Interessenspektrum und Wissensgebiet des bekannten Geographen und Alpenforschers aber noch viel weiter geht beweist der fleißige Ruheständler mit seinem neuesten Werk – einer Ausarbeitung über das Landleben. Hat mit den Alpen ja nicht so weit entfernt ja auch was zu tun …

Land-Lust und mehr – das Landleben ist seit Jahren wieder in. Nicht allerdings um selbst zwischen Traktorenlärm und Geruch von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu leben. Sondern als Verklärung, als Wuschtraum, gesehen aus städtischer Sicht. Als Flucht in die Idylle. Bei Bätzing heißt das: „Das neue Sonntagsbild der Städter: Das Land als „schöne Landschaft“ – so eine Kapitelüberschrift.

In einer Zeit zunehmender Verstädterung brauchen wir aber eine neue Sicht auf das Landleben. Es ist keineswegs Ausdruck überholter Verhältnisse, es ist vielmehr Grundlage für die Dynamik und Spezialisierung in den Städten und Zentren. Werner Bätzing hält das Land mit seinen Traditionen und Kulturlandschaften für unverzichtbar. Daher mündet sein so fundiertes wie nachdenkliches Buch in Leitideen für die Zukunft des Landlebens. 

Gibt es heute noch ein Leben auf dem Land, das nicht städtische geprägt ist? Und brauchen wir in der modernen Welt überhaupt ein Landleben? Oder ist es nur noch ein romantisches Relikt aus der vergangenen Zeit? Wer das Landleben verstehen will, so Bätzing, muss Landwirtschaft, bäuerliche Kulturlandschaften, Dorfleben, Traditionen sowie die engen Verflechtungen zwischen Ihnen kennen.

Da das Land aber stets in einem engen Austausch mit der Stadt steht, muss er auch verstehen, welche Auswirkungen die Industrielle Revolution, die Entdeckung des Landes als "schöne Landschaft", der wirtschaftliche und demographische Wandel, die Entstehung der Konsumgesellschaft und das Erstarken des Neoliberalismus auf das Landleben besitzen - andernfalls besteht die Gefahr, das Land zu stark als Idylle wahrzunehmen.

Landleben als Auslaufmodell?
So betrachtet der Autor das Leben auf dem Land und seine Veränderungen. Im Leben in der Familie, aber auch den Wandel in der Dorfwelt. Zu keiner sonstigen Zeit gab es innerhalb weniger Zeiten so durchgreifende Strukturelle Änderungen wie in den letzten Jahrzehnten. Man schaue sich nur mal Fotos aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an. Mit Tieren als Zug“maschinen“, Bauern und Knechten (so es sich noch gab) auf dem Weg zur Handarbeit. Höchstens zu allerschlechtesten Zeiten wie zum Beispiel der Entvölkerung im Dreißigjährigen Krieg gab es solche Umbrüche. Damals aber nur im „Bereich Mensch“, nicht in der bäuerlichen Arbeit.

Eines von Bätzings Themen sind die Veränderungen in der Arbeitswelt, passend dazu die Entwertung des Landes durch die Stadt. Wer persönliche Beziehungen, womöglich gar verwandtschaftlicher Art, zwischen Land und Stadt hat, mag sich mal die Beziehungswelt, das Selbstverständnis von Land- und städtischer Bevölkerung ansehen. Da tun sich heute noch manchmal Gräben auf. „Ich oben, du unten“, mag man da manchmal denken, fühlt sich der eine oder andere.

Landleben hier – Stadtleben da
Bätzings scheut Kontroversen nicht. So steht seine breit angelegte und historisch fundierte Darstellung quer zu den üblichen Sichtweisen und lässt das Landleben in einem völlig neuem Licht erscheinen. Nicht schlecht, man sollte sich seine Ansichten in Ruhe zu Gemüte führen und auf sich wirken lassen. Und dann entscheiden, wie steht man selbst zu der Sache. Danke auch für den Denkanstoß.

Werner Bätzing hat sich schon immer für das Land interessiert. Er hat sich allerdings aus Zeitgründen auf sein wohl Hauptthema, die Alpen konzentriert, konzentrieren müssen. Jetzt, emeritiert, hat er eher Zeit und Muße, auch solch liegengebliebene Projekte anzupacken. Seien wir dankbar darüber. Wer sonst als er könnte ein solch umfassendes Thema kurz und gut verständlich in zwei Buchdeckel packen, die auch für den geografischen Laien und – seien wir ehrlich – den gelegentlich Landidylle genießenden Städter verständlich sind.

Bätzing schließt sein Werk optimistisch mit seiner „Bilanz: Das Landleben ist unverzichtbar.“ Das mögen sich der eine oder andere Städter, aber auch manch verunsicherte Dorfbewohner hinter die Ohren schreiben. Zukunft für das Landlebens und Ausblick sind die Schlussworte des Autors.

Als Leser und somit Profiteur von Bätzings Fleiß darf man gespannt sein, mit was er die Welt das nächste Mal überraschen wird.

Inhalt
1. Einführung: Landleben – was bedeutet das?
1.1 Aufgabe und Zielsetzung
1.2 Der doppelte Blick auf das Landleben
1.3 Definitionen von Land und ländlichem Raum
1.4 Zur Konzeption und Gliederung

2. Die Entstehung des Landlebens und die Veränderung der Natur
2.1 Der Beginn des Landlebens
2.2 Neue Raumstrukturen durch Landwirtschaft
2.3 Ökologie der Kulturlandschaft
2.4 Kulturelle Rahmenbedingungen des Landlebens

3. Die Entwertung des Landes durch die Entstehung von Städten und Hochkulturen
3.1 Fundamentale Veränderungen auf dem Land – warum?
3.2 Die Entstehung von Städten und Stadtstaaten
3.3 Die Entstehung von Großstädten, Hochkulturen und großen Reichen
3.4 Zur Entwertung des Landes durch die Stadt

4. Die Gleichwertigkeit von Land und Stadt im mittelalterlichen Europa
4.1 Die europäische Sonderentwicklung ab dem Jahr 1000
4.2 Die Intensivierung der Landwirtschaft: Dreifelderwirtschaft
4.3 Alt-/Jungsiedelräume und Vergetreidung/Vergrünlandung
4.4 Das Aufblühen von Handwerk und Gewerbe auf dem Land
4.5 Die Schwächung des Landlebens im 18. Jahrhundert

5. Die Auswirkungen der Industriellen Revolution auf das Landleben
5.1 Die Industrielle Revolution und das «Ende der Fläche»
5.2 Der wirtschaftliche Wandel: Reagrarisierung des Landes
5.3 Der demographische Wandel: Verstädterung und Bevölkerungsrückgang
5.4 Der kulturelle Wandel: Modernisierung und Neuerfindung der Tradition
5.5 Das neue Sonntagsbild der Städter: Das Land als «schöne Landschaft»

6. Die forcierte Modernisierung des Landlebens zwischen 1960 und 1980.
6.1 Die allerletzte Phase der Industriegesellschaft und ihre neuen Rahmenbedingungen
6.2 Der wirtschaftliche Wandel: Spezialisierung und Intensivierung
6.3 Der demographische Wandel: Suburbane und periphere Räume
6.4 Politische Interventionen: Dorfsanierung, Schul- und Gebietsreform und das System der Zentralen Orte
6.5 Der kulturelle Wandel: Landleben als Auslaufmodell

7. Die Postmoderne – eine neue Aufwertung oder das endgültige Verschwinden des Landlebens?
7.1 Der Bruch zu Beginn der 1980 er Jahre und seine Ursachen
7.2 Der wirtschaftliche Wandel: Entstehen neue Arbeitsplätze auf dem Land?
7.3 Neue politische Zielsetzungen für den ländlichen Raum
7.4 Bevölkerungsentwicklung: Abwärtsspirale oder erneuter Aufschwung?
7.5 Siedlungsentwicklung: Die Entstehung der «Zwischenstadt»
7.6 Der ökologische Wandel: Agrarwüsten, Wildnisgebiete und der neue Umweltschutz
7.7 Der kulturelle Wandel: Von der selbstverständlichen zur selbstgewählten Tradition
7.8 Gibt es heute noch ein Landleben?

8. Welche Zukunft für das Landleben?
8.1 Bilanz: Das Landleben ist unverzichtbar
8.2 Mögliche zukünftige Entwicklungen des Landes
8.3 Leitideen für die Aufwertung des Landlebens
8.4 Ausblick

Zum Autor:
Werner Bätzing, Prof. em. für Kulturgeographie, ist als Alpenforscher in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit bekannt geworden. Für seine Arbeiten zum Alpenraum erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Seit 1995 beschäftigt er sich auch vertieft mit dem ländlichen Raum in Bayern und engagiert sich für seine Aufwertung.

Veranstaltung:
22. Mai 2020, 19:30 Uhr
Altusried, Theaterkästle, Schulstraße 5
"Allgäuer Literaturfest" mit Werner Bätzing: Vortrag:  Das Landleben

Werner Bätzing: Das Landleben. Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform. 302 Seiten mit 27 überwiegend farbigen Abbildungen, 3 Karten und 3 Tabellen, Bindung: Hardcover. Verlag C. H. Beck, 2020. ISBN 978-3-406-74825-7.
Hardcover 26,00 €, e-Book 19,99 €.
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