Sina Pousset:
Keine Ahnung, wo wir hier gerade sind
Mit dem Fernbus unterwegs
Reisen ist schön.
Nicht immer schön sind allerdings die Verkehrsmittel, mit denen man zwangsweise
unterwegs sein muss. Flugzeug ist umständlich, Zug hat Verspätung, das Auto
steht im Stau - und der Bus? Steht im Zweifel auch im Stau. Auch der Fernbus, quasi Ersatz für die Schiene, aber ohne deren freie Fahrt. Dafür aber billiger und deshalb beliebt.
Der Reisende
ist hier nicht alleine. Das kann positiv, aber auch negativ sein. Und dass es da allerlei Erlebnisse geben kann liegt auf der
Hand.
Sina Pousset erzählt uns davon. Mit viel Erfahrung, mit viel
Humor, man meint dabei zu sein. Sie steigt leidenschaftlich gerne in den
Fernbus ein und erzählt in ihrem Buch hautnah vom letzten großen Abenteuer
unserer Zeit.
Ein bisschen ist das mit dem Fernbus wie mit einer
durchzechten Nacht. Man kommt dehydriert und zerknautscht zu Hause an und
schwört sich: nie wieder. Bis zum nächsten Mal. Denn wer billig und flexibel
verreisen will, muss in den Bus. In seinem Inneren herrscht fröhliche Anarchie:
Es gibt keine Sitzplatzreservierung, keine Businessclass, keine Gepäckaufgabe.
Beziehungen werden kurz vor der Abfahrt in Hamburg beendet und auf dem langen
Weg nach München beweint, der Fahrer steht auf Helene Fischer, und der Typ
hinten links lässt garantiert seinen Geldbeutel an der Tankstelle liegen.
Dennoch schwören Millionen auf den Bus.!
Fernbusfahren nervt
Sina
Pousset verbindet eine leidenschaftliche Hassliebe mit dem Fernbus. Denn Fernbusfahren
nervt, das denkt man sich, das kann man in dem Buch auch lesen: Die
Haltestellen sind gut versteckt und weit draußen, im Bus ist es zu eng, es gibt
ständig Verspätungen und seinen Mitmenschen kommt man viel zu nah. Aber wer mit
dem „Maulesel der Straße“ unterwegs ist, reist nicht nur günstig, sondern
erlebt auch die besten Geschichten. Im Fernbus ist man nicht nur nah dran an
den Tragödien und Komödien der anderen, sondern auch an ihrem Alltag – ganz
nach dem Motto „Abenteuer Mensch“. „Auf
seine ganz eigene Art und Weise ist der Bus wie eine Familie: Er nervt, aber am
Ende des Tages ist er der Ort, an dem man sich geborgen fühlt“, findet die Autorin.
Wem
gehört die Wasserflasche?
Mit Humor, Menschenliebe und einem feinen Gespür für
Situationskomik erklärt Sina Pousset das Wesen des Fernbusses und das Verhalten
seiner Passagiere. Von A wie „Ausreden, warum ich im Bus nicht mit Fremden
rede“ über „Fünf beliebte Schlafpositionen, die garantiert fast funktionieren“
bis Z wie „Die Zerreißprobe – Gemeinsam Reisen“ spart sie nicht an Anekdoten
von schön bis schaurig. Aus ihrem umfangreichen Erfahrungsschatz, gewonnen aus
zahllosen Stunden im Fernbus, teilt die Autorin ihre mühsam erlernten
Überlebenstipps. Sie weiß, wie man eine Busfahrt auch mit Erkältung übersteht,
verrät, wie man einen Bussitz in ein temporäres Zuhause verwandelt und kennt
die besten Tricks, um einen begehrten Doppelsitz zu ergattern. Sie gibt eine
Liebeserklärung an den Rastplatz, erzählt von herren-/damenlosen Wasserflaschen
und Ansagen des Fahrers und wie man sich auf der Enge eines Sitzplatzes
häuslich einrichtet, 250 Seiten gespickt voll mit Erlebnissen, mit Komik, mit
Überlebenskampf …
Wundertüte Bus
Wer noch nie mit dem Fernbus gereist ist, findet in „Keine
Ahnung, wo wir hier gerade sind“ die perfekte Einstiegslektüre. Alle andere
werden sich unweigerlich wiederfinden: ob in Sina Poussets Typologie der
Busreisenden – von der Busschönheit bis zum Ghostwatcher – oder in ihren
selbstironischen Schilderungen, wenn sie von den zahllosen Fettnäpfchen
erzählt, die das Reisen mit dem Fernbus bietet. Doch keine Sorge: Selbst nach
der Lektüre kann auf der nächsten Fernbusfahrt noch Einiges passieren: „Der Bus bleibt eine Wundertüte.“
Und so liest man sich durch einen dicken Schmöker,
kichert über die Szenen, erkennt sich und andere wieder und kann gar nicht mehr
aufhören. Dumm nur, dass das Buch zu dick ist, um es in einem Zug (oder sagt
man passenderweise Bus?) durchzulesen. Gut aber, dass man das Vergnügen dann
auf mehrere Tage und viele Stunden aufteilen kann
Hier
finden Sie ein Interview mit der Autorin zu ihrem Buch.
Zur
Autorin:
Sina Pousset studierte Kunst- und Literaturwissenschaft in
Karlsruhe, Paris und Oxford. Seit 2012 schreibt sie für die Süddeutsche Zeitung, jetzt.de sowie das Süddeutsche Zeitung Magazin. Sie lebt
heute als freie Autorin in Berlin und wartet liebend gerne auf einen Bus, wenn
es sie in die Ferne zieht.
Sina Pousset: Keine Ahnung, wo wir hier gerade sind. Mit dem Fernbus unterwegs. Ca. 252 Seiten. Paperback,
Klappenbroschur. Goldmann, 2016. ISBN: 978-3-442-15907-9. € 12,99 [D] | € 13,40
[A] | CHF 17,90* (* empf. VK-Preis)
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